Im Laufe meiner Erfahrungen habe ich das eine große Geheimnis des Erfolgs in allen weltlichen Unternehmungen herausgefunden, und da meine Tage sich nun ihrem Ende zuneigen, erscheint es mir weise, den nach mir folgenden Generationen mein gesammeltes Wissen weiterzugeben. Meine einfache Ausdrucksweise und deren Mangel an literarischem Gehalt rechtfertigen keine Entschuldigung, denn auf meinem Weg bin ich mit weitaus schwereren Instrumenten als einem Schreibstift umgegangen, und darüber hinaus hat auch das Gewicht der Jahre mir Hand und Hirn in einem gewissen Maß gelähmt.
Nichtsdestoweniger vermag ich von Tatsachen zu berichten und von dem, was ich für den Kern der Nuss halte. Die Frage ist nur, auf welche Weise man die Schale aufbrechen muss, um an das Innere der Nuss zu gelangen und Nutzen daraus zu ziehen? Ich zweifele nicht daran, dass ich in meinem Bericht Formulierungen verwenden werde, die mir seit meiner Kindheit im Gedächtnis haften; denn wenn ein Mann meine Anzahl an Jahren erreicht, sind die Geschehnisse der Jugend oft deutlicher in der Erinnerung als die Ereignisse jüngeren Datums. Es spielt wohl auch keine große Rolle, wie ein Gedanke ausgedrückt wird, denn solange er nur förderlich und hilfreich ist, wird er gewiss verstanden werden.
Lange habe ich mein Hirn mit der Frage gequält, wie sich das Erfolgsrezept, das ich entdeckte, am besten beschreiben lässt, und es schien mir ratsam, es so weiterzugeben, wie ich es kennengelernt habe. Wenn ich ein wenig aus der Geschichte meines Lebens berichte, werden die Anleitungen zum Zusammenbringen der Zutaten und zum Hinzufügen der Gewürze zur Vollendung des Gerichts umfassend verstanden werden. So soll es geschehen, und ich hoffe, dass nach mir geborene Generationen, wenn ich schon längst zu Staub zerfallen bin, mich noch für meine Worte segnen werden.
Mein Vater war ein Seemann, doch er gab bereits in jungen Jahren seinen Beruf auf und siedelte auf einer Plantage in der britischen Kolonie Virginia. Kurze Zeit darauf, im Jahre 1642, wurde ich dort geboren, vor nunmehr über einhundert Jahren. Für meinen Vater wäre es sicherlich besser gewesen, wäre er nur dem weisen Ratschlag meiner Mutter gefolgt, doch er entschied sich anders. Das schöne Schiff, dessen Kapitän er war, wurde für das Land, von dem ich sprach, eingetauscht. Hier beginnt die erste zu erlernende Lektion:
Ein Mensch sollte sich nicht von den Versprechungen einer Gelegenheit, die sich ihm bietet, blenden lassen, sondern stets bedenken, dass tausend Versprechungen für die Zukunft den Besitz eines einzigen Silberstückes niemals aufwiegen können.
Als ich zehn Jahre alt geworden war, entflog die Seele meiner guten Mutter, und zwei Jahre darauf folgte ihr mein verdienstvoller Vater. Ich blieb als ihr einziges Kind allein zurück. Es gab da Freunde, die sich einige Zeit um mich kümmerten, das heißt, sie boten mir unter ihrem Dach eine Heimat an. Fünf Monate lang nutzte ich ihre Gastfreundschaft. Vom Besitz meines Vaters erhielt ich nichts, und mit wachsendem Verstand wurde mir im Verlauf der Jahre klar, dass sein Freund, unter dessen Dach ich eine Weile verbracht hatte, ihn, und damit auch mich, betrogen hatte.
Aus der Zeit zwischen meinem zwölften und meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr will ich hier nichts weiter berichten, denn diese Zeit hat nichts mit diesem Bericht zu tun. Einige Zeit später, als ich im Besitz von sechzehn Guineen war, die ich mir aus der Frucht meiner Arbeit zusammengespart hatte, reiste ich per Schiff in die Stadt Boston. Dort verdingte ich mich zunächst als Küfer und bald darauf als Schiffszimmermann. Allerdings arbeitete ich nur an Schiffen im Dock, denn zur See zu fahren zählte nicht zu meinen Wünschen.
Das Glück lächelt bisweilen einem künftigen Opfer zu, einfach aus einer perversen Laune heraus. Diese Erfahrung musste ich machen, denn ich kam voran, und mit siebenundzwanzig Jahren war ich der Eigentümer der Werft, in der weniger als vier Jahre zuvor als Lohnarbeiter begonnen hatte. Das Glück ist allerdings ein Gaul, der bezwungen werden muss, es lässt sich nicht verhätscheln. Hier folgt die zweite zu erlernende Lektion:
Das Glück will immer wieder entschwinden und lässt sich nur mit Gewalt festhalten. Geht man mit ihm zart um, so verlässt es einen und wendet sich einem Stärkeren zu (In dieser Hinsicht gleicht es durchaus der Damenwelt, soweit ich weiß).
Um diese Zeit suchte mich das Unglück heim (das Unglück ist einer der Vorboten von gebrochenem Willen und verlorengegangener Entschlusskraft). Meine Werftanlagen wurden durch ein Feuer zerstört, und mir blieben außer verkohlten Ruinen nichts als Schulden, die ich nicht zurückzahlen konnte. Ich beriet mich mit allen, die ich kannte, doch das Feuer, das meine wirtschaftliche Kompetenz verbrannt hatte, hatte, so schien es, auch deren Mitgefühl ausgelöscht. Und so geschah es, dass ich innerhalb kurzer Zeit nicht nur alles verloren hatte, sondern zudem noch hoffnungslos verschuldet war, was mir einen Gefängnisaufenthalt einbrachte.
Möglicherweise hätte ich mich von meinen Verlusten erholt, doch diese letzte Entehrung brach meinen Willen und aller Lebensmut verließ mich. Mehr als ein Jahr wurde ich gefangengehalten, und als ich freikam, war ich nicht mehr der hoffnungsfrohe und glückliche, mit seinem Los zufriedene Mann, der großes Vertrauen in die Welt und deren Bewohner setzte, als der ich das Gefängnis betreten hatte.
Im Leben bieten sich einem zahlreiche Wege, und die allermeisten davon führen abwärts. Manche führen direkt in den Abgrund, andere sind weniger steil, doch unabhängig von ihrer Steilheit führen letztendlich doch alle zum gleichen Zielpunkt – dem Versagen. Und hier beginnt die dritte Lektion:
Das Versagen existiert nur im Grab. Solange ein Mensch am Leben ist, hat er nicht versagt. Er kann jederzeit umkehren und den selben Weg wieder nach oben beschreiten, dem er nach unten folgte. Es wird stets einen weniger steilen geben, der besser zu seinen Fähigkeiten passt (auch wenn der Aufstieg auf diesem ein wenig länger dauert).
Als ich aus dem Gefängnis freikam, war ich völlig mittellos. Ich besaß nichts auf der Welt als die ärmlichen Kleider, die meinen Körper bedeckten, und einen Wanderstock, den mir die Wärter gelassen hatten, da er für sie keinerlei Wert besaß. Da ich ein erfahrener Handwerker war, fand ich rasch eine Anstellung zu einem guten Lohn, doch da ich zuvor die Früchte des Wohlstands genossen hatte, wurde ich alsbald von Unzufriedenheit ergriffen. Ich wurde mürrisch und verbissen, und um mich ein wenig aufzuheitern und meine erlittenen Verluste zu vergessen, verbrachte ich meine Abende in der Taverne. Nicht dass ich allzuviel Alkohol getrunken hätte, außer bei manchen Gelegenheiten (denn ich hatte schon immer recht abstinent gelebt), sondern ich wollte lachen und singen, ich wollte scherzen und mit meinen nichtsnutzigen Kumpanen herumalbern. Hier möchte ich die vierte Lektion einfügen:
Suche dir Gesellschaft unter den Fleißigen, denn die Müßiggänger werden dich deiner Energien berauben.
Zu jener Zeit fand ich großen Gefallen daran, auf die leichteste Provokation mit einem Bericht all meiner Missgeschicke zu reagieren und gegen all die Männer zu wettern, die mich meiner Meinung nach betrogen hatten, weil sie mir nicht zu Hilfe kommen wollten. Darüber hinaus bereitete es mir eine kindische Freude, meinem Arbeitgeber jeden Tag einige Momente der Zeit zu vorzuenthalten, für die er mich bezahlte. Solch ein Verhalten ist noch unehrlicher als glatter Diebstahl.
Diese Gewohnheit ergriff immer mehr von mir Besitz, bis zu dem Tag, an welchem ich nicht nur ohne Beschäftigung dastand, sondern auch ohne Charakter, was bedeutete, dass ich keinerlei Hoffnung haben konnte, in Boston einen anderen Arbeitgeber zu finden. Zu dieser Zeit betrachtete ich mich als völligen Versager. Meinen Zustand zu jener Zeit kann ich mit nichts anderem vergleichen als mit einem Mann, der bei einem steilen Bergabstieg den Halt verliert. Je weiter er abrutscht, umso schneller geht es bergab. Diesen Zustand, so habe ich gehört, beschreibt man ebenfalls mit dem Wort Ismailit. Darunter verstehe ich einen Menschen, der allen gegenüber feindselig gesonnen ist, und der glaubt, dass ihn alle anderen ebenfalls als Feind betrachten. Hier folgt die fünfte Lektion:
Ein Ismailit und ein Aussätziger sind einander völlig gleich, denn beide sind gar schrecklich anzusehen – allerdings unterscheiden sie sich darin, dass der erstere wieder zu vollständiger Gesundheit gelangen kann. Der erstere ist ein vollkommenes Produkt der Phantasie, während der letztere vergiftetes Blut besitzt.
Ich will mich hier nicht länger über das allmähliche Schwinden meiner Lebensenergie auslassen. Es ist niemals angemessen, sich zu sehr mit unglücklichen Geschehnissen oder Umständen zu beschäftigen (diesen Spruch sollte man sich gut merken).
Es soll genügen, wenn ich hier anfüge, dass der Tag kam, an dem ich nichts mehr besaß, um Nahrung und Kleidung zu kaufen. So fand mich bald unter den Almosenempfängern wieder, außer wenn ich von Zeit zu Zeit ein paar Pence, oder wenn es hochkam, einen Schilling verdienen konnte. Ich konnte an keine feste Arbeitsstelle gelangen. Mein Körper magerte zusehends ab und mein Geist glich nurmehr einem Skelett. Mein damaliger Zustand war bemitleidenswert; nicht so sehr, was meinen Körper betraf, sondern mehr meinen mentalen Teil, denn dieser war todkrank. In meiner Vorstellung sah ich mich von der ganzen Welt verstoßen, denn ich war äußerst tief gesunken.
Hier beginnt die sechste und letzte zu lernende Lektion (diese lässt sich nicht in einem einzigen Satz oder Absatz darlegen, sondern muss dem Rest dieses Berichts entnommen werden).
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich auf einmal erwachte, denn es geschah mitten in der Nacht. Mein Bettlager bestand aus einem Haufen von Holzspänen in der hinteren Ecke der Werkstatt, in welcher ich einst in Lohn gestanden hatte. Darüber hatte ich Fässer aufgestapelt, unter welchen ich mich eingerichtet hatte. Die Nacht war frisch und mir war kalt, doch paradoxerweise hatte ich von Licht und Wärme geträumt und von einer Fülle guter Dinge. Man könnte sagen, dass diese Vision eine Auswirkung auf meinen Geist hatte. So wahr es wohl, denn es ist die Hoffnung, dass der Geist anderer Menschen ebenso beeinflusst werden kann, die mich dazu bringt, die Arbeit dieser Niederschrift auf mich zu nehmen. Aus diesem Traum erwuchs mein Glaube – nein, das Wissen – dass in mir zwei Wesenheiten wohnten. Meine eigene bessere Seite bot mir die Unterstützung, die ich vergebens von meinen Freunden eingefordert hatte. Diesen Zustand beschreibt man wohl mit dem Wort „Doppelgänger“, allerdings trifft dieses Wort nicht genau das, was ich meine. Ein Doppelgänger kann niemals mehr als eine Kopie sein, denn er verfügt über keinerlei Individualität. Doch ich möchte hier nicht philosophieren, da die Philosophie nichts weiter als einen Satz von Kleidungsstücken darstellt, der der Verzierung einer Kleiderpuppe dient.
Darüber hinaus war es nicht der Traum an sich, der sich auf mich auswirkte, sondern der Eindruck, den er bei mir hinterließ, und der Einfluss, den er auf mich ausübte. Dadurch gelang meine Befreiung. Kurz gesagt, ich stärkte mein anderes Ich. Nachdem ich mich durch einen heftigen Schneesturm gekämpft hatte, sah ich durch ein Fenster und erblickte dieses andere Wesen. Es hatte eine gesunde rosa Gesichtsfarbe, und vor ihm im Kamin prasselte ein prächtiges Feuer. In seinem Gebaren lag eine bewusste Kraft und Macht, körperlich und mental verfügte er über starke Muskeln. Ich klopfte zaghaft an die Tür und er bat mich herein. In seinen Augen bemerkte ich ein spöttisches, jedoch nicht unfreundliches Lächeln, während er mich zu einem Stuhl in der Nähe des Kamins geleitete, jedoch sprach er keinen Willkommensgruß. Nachdem ich mich aufgewärmt hatte, stellte ich mich wieder dem Sturm, bedrückt von der Scham, die der Kontrast zwischen uns beiden mir auferlegt hatte. In diesem Moment schrak ich auf, und nun folgt der merkwürdige Teil meiner Erzählung, denn als ich erwachte, war ich nicht allein. Da war eine Präsenz anwesend, für andere unspürbar, wie ich später bemerkte, doch für mich war sie sehr real.
Diese Präsenz sah ebenso aus wie ich, und doch wiederum war sie mir frappierend unähnlich. Die Brauen traten nicht mehr hervor als die meinen, doch erschienen sie mir runder und voller; der Blick war klar, direkt und zielgerichtet, die Augen glühten vor Begeisterung und Entschlossenheit. Die Lippen, das Kinn – ja der ganze Gesichtsausdruck und die gesamte Körperhaltung strahlten Dominanz und Entschlossenheit aus. Er wirkte ruhig, besonnen und selbstbewusst; ich duckte mich mit einem nervösen Zittern weg, ich fürchtete mich vor diesem ungreifbaren Schatten. Als sich die Präsenz wegdrehte, folgte ich ihr, und den ganzen Tag lang verlor ich sie nicht mehr aus den Augen, außer wenn sie eine Zeit lang durch eine Tür verschwand, durch die zu treten ich nicht wagte. An solchen Orten wartete ich voller Ehrfurcht und Beklommenheit auf ihre Rückkehr, denn ich konnte nicht umhin, mich über die Kühnheit der Präsenz (die mir so sehr glich und die mir doch so unähnlich war) zu wundern, die dort einzutreten wagte, wohin mich meine Füße nicht zu tragen getrauten.
Es schien mir auch, als ob ich absichtlich zu den Orten und den Menschen geführt wurde, wo und vor welchen zu erscheinen ich mich am meisten fürchtete; ich wurde zu Verwaltungskontoren geleitet, wo ich einst meine Geschäfte getätigt hatte, und zu Männern, gegenüber denen ich finanzielle Verbindlichkeiten hatte. Den ganzen Tag über folgte ich der Präsenz, und am Abend sah ich, wie sie durch die Eingangstür eines für seine fröhliche Geselligkeit bekannten Gasthofes verschwand. Ich hingegen suchte wieder den Fässerstapel und meine Holzspäne auf.
In jener Nacht begegnete mir in meinen Träumen nicht mein Besseres Selbst (wie ich es nannte), doch als ich zufällig aus meinem Schlummer erwachte, war es in meiner Nähe und trug wieder dieses ruhige Lächeln freundlichen Spotts, das weder mit irgendeiner Form von Mitleid noch von Erbarmen zu verwechseln war. Seine Verachtung traf mich bitter.
Der zweite Tag glich dem ersten, der sich also wiederholte, und ich war wieder dazu verurteilt, draußen zu warten, während die Präsenz Orte aufsuchte, dich ich nur zu gern betreten hätte, hätte ich nur den hierfür erforderlichen Mut aufgebracht. Die Angst löst die Seele eines Menschen von seinem Körper und lässt diesen zu einem verachtenswerten Gebilde werden. Mehrmals wollte ich sie ansprechen, doch die Worte blieben mir unhörbar im Halse stecken, und so ging dieser Tag wie der vorangehende zu Ende. Dies geschah an vielen Tagen, einer nach dem anderen, bis ich mit dem Zählen aufhörte. Allerdings bemerkte ich, dass das ständige Zusammensein mit der Präsenz eine Wirkung auf mich hatte, und als ich eines Nachts unter den Fässern erwachte und ihre Anwesenheit spürte, fasste ich mir ein Herz und sprach sie an, wenn auch mit gehöriger Schüchternheit.
„Wer bist du?“, wagte ich zu fragen, und der Schreck über den Klang meiner eigenen Stimme ließ mich eine aufrechte Haltung einnehmen. Die Frage schien meinen Begleiter zu erheitern, und ich bildete mir ein, dass sein Lächeln weniger spöttisch war, als er mir antwortete.
„Ich bin, der ich bin“, erhielt ich zur Antwort. „Ich bin der, der du einmal gewesen bist; Ich bin der, zu dem du wieder werden kannst, weshalb zögerst du also? Ich bin der, der du einmal warst, und den du hinausgeworfen hast, um dir andere Gesellschaft zu suchen. Ich bin der Mann, der nach Gottes Ebenbild erschaffen wurde und der einst deinen Körper bewohnte. Einst wohnten wir gemeinsam darin, nicht in Harmonie, denn das kann niemals sein, und auch nicht in Einheit, denn das ist unmöglich, sondern als gemeinschaftliche Bewohner, die sich nur selten um den vollen Besitz stritten. Damals warst du ein kümmerliches Wesen, doch du wurdest so eigensüchtig und überheblich, dass ich nicht länger bei der bleiben konnte. Daher verließ ich deinen Körper. In jedem menschlichen Körper, der in diese Welt geboren wird, gibt es ein Plus-Wesen und ein Minus-Wesen. Dasjenige der beiden, das vom Fleisch bevorzugt wird, wird dominieren. Das andere trachtet dann danach, seine Behausung zu verlassen, sei es für eine gewisse Zeit oder auch für immer. Ich bin das Plus-Wesen deiner selbst, und du bist das Minus-Wesen. Ich besitze alles, dir gehört nichts. Der Körper, den wir beide bewohnten, ist mein, doch er ist unsauber und ich will nicht darin wohnen. Reinige ihn und werde ihn wieder in Besitz nehmen.“
„Warum verfolgst du mich?“, fragte ich die Präsenz.
„Du hast mich verfolgt und nicht ich dich. Du kannst eine Zeit lang ohne mich existieren, doch dein Weg führt dann abwärts und am Ende wartet der Tod. Nun, da du dich dem Ende näherst, willst du debattieren, ob es nicht ratsam wäre, dein Haus zu reinigen und mich hereinzubitten. Tritt einen Schritt zur Seite, weg von deinem Verstand und deinem Willen. Reinige diese von deiner Anwesenheit. Nur unter dieser Bedingung werde ich mich dort jemals wieder einfinden.“
„Mein Verstand hat seine Kraft verloren“, sagte ich zögerlich, „und mein Wille ist schwach; kannst du beide wieder in Ordnung bringen?“
„Hör mir zu!“, befahl die Präsenz. Sie türmte sich über mir auf, während ich unterwürfig vor ihren Füßen kauerte.
„Dem Plus-Wesen eines Menschen sind alle Dinge möglich. Die Welt ist ihm untertan, sie ist sein Besitz. Er hat vor nichts Angst, er fürchtet nichts und lässt sich von nichts aufhalten. Er bittet nicht um Privilegien, sondern er fordert sei ein; er dominiert und kann nicht zurückweichen. Seine Bitten sind Befehle, aller Widerstand schwindet bei seiner Annäherung; er zertrümmert Berge, füllt Täler auf und schreitet auf einer flachen Ebene voran, auf der es kein Stolpern gibt.“
Daraufhin schlief ich wieder ein, und als ich erwachte, schien ich mich in einer anderen Welt zu befinden. Die Sonne lachte vom Himmel und ich bemerkte, dass über meinem Kopf die Vögel zwitscherten. Mein Körper, der noch gestern voller Zittern und Unsicherheit gewesen war, strotzte nun vor Kraft und Energie. Ich blickte voller Erstaunen auf den Fässerstapel, unter dem ich für so lange Zeit Zuflucht gesucht hatte, und machte mir voller Erstaunen bewusst, dass ich die letzte Nacht unter ihrem Schutz verbracht hatte.
Die Ereignisse der letzten Nacht fielen mir wieder ein und ich sah mich nach der Präsenz um. Sie war nicht zu erblicken, doch sogleich entdeckte ich eine kleine zitternde, kümmerliche Gestalt, mit entstelltem Antlitz, verunstaltetem Körper, zerzauster und ungepflegter Erscheinung. Mit jämmerlichen Schritten kam sie taumelnd auf mich zu, doch ich lachte nur laut und mitleidlos. Sofort begriff ich, dass es sich um das Minus-Wesen handelte und dass das Plus-Wesen sich in mir befand, wenn ich mir dessen auch nicht völlig bewusst war. Darüber hinaus hatte ich es eilig, von diesem Ort wegzukommen, ich hatte keine Zeit fürs Philosophieren. Es gab viel für mich zu tun – sehr viel, und ich fand es eigenartig, dass ich nicht schon gestern daran gedacht hatte. Doch gestern war vorbei – der heutige Tag gehörte mir – und ich hatte gerade erst begonnen.
Ich lenkte meine Schritte in Richtung auf die Taverne, so wie es einst meine tägliche Gewohnheit gewesen war, denn dort hatte ich immer meine Mahlzeiten eingenommen. Ich nickte freundlich, als ich eintrat, und lächelte, als mein Gruß von vielen erwidert wurde. Männer, die mich monatelang ignoriert hatten, verneigten sich vor mir voller Ehrerbietung, als ich an ihnen vorbei schritt. Ich ging zum Waschraum und von dort zum Frühstückstisch. Als ich später an der Schankstube vorbeiging, hielt ich einen Moment inne und sagte zum Wirt:
„Ich will wieder dasselbe Zimmer beziehen wie früher, wenn es zufällig verfügbar ist. Falls nicht, nehme ich ein anderes, bis mein gewohntes Zimmer frei wird.“
Dann trat ich hinaus und begab mich voller Eile zur Küferei. Im Hof stand ein großer Wagen, der gerade mit auszuliefernden Fässern beladen wurde. Ich stellte keine Fragen, sondern ergriff die Fässer und begann, sie den Männern anzureichen, die ganz oben auf der Ladung arbeiteten. Als alle Fässer verladen waren, betrat ich die Werkstatt. Eine Werkbank war unbenutzt; ich erkannte dies am Abfall, der auf ihr lag. Es war dieselbe, an der ich einst gearbeitet hatte. Ich warf meinen Mantel ab und hatte sie bald von allem Unrat befreit. Einen Moment später hatte ich bereits Platz genommen, meinen Fuß auf das Antriebspedal gesetzt und mit dem Herstellen von Fassdauben begonnen.
Eine Stunde später betrat der Werkstattmeister den Raum und hielt erstaunt inne, als er mich erblickte. Neben mir erhob sich bereits ein ansehnlicher Stapel frisch gefertigter Fassdauben, denn damals war ich ein ausgezeichneter Handwerker. Es gab keinen besseren, doch leider hat mich das Alter nun dieses Talents beraubt. Ich beantwortete seine ungestellte Frage mit einem kurzen Satz, der alles zusammenfasste: „Ich bin an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt, Sir.“ Er nickte kurz und ging weiter, um sich das Ergebnis der anderen Arbeiter anzusehen; allerdings warf er mir einige misstrauische Blicke zu. Damit endet die sechste und letzte zu erlernende Lektion, wenn es auch noch weit mehr zu sagen gäbe. Denn von diesem Moment an war ich ein erfolgreicher Mann und es dauerte nicht lange, bis ich meine eigene Werft besaß und weltliche Güter in vollem Umfang erworben hatte.
Ich bitte den Leser, die folgenden Ermahnungen zu beherzigen, denn davon hängt das Wort „Erfolg“ und alles, was dazugehört, ab:
Was immer Gutes du dir erwünschst, es gehört dir. Du musst nur deine Hand ausstrecken und es in Besitz nehmen.
Lerne, dass das Bewusstsein der beherrschenden Kraft in dir den Besitz aller erreichbaren Dinge ermöglicht.
Habe keine Angst in welcher Art oder Form auch immer, denn die Angst ist ein Gehilfe des Minus-Wesens. Verfügst du über Talente, so setze sie ein. Sie müssen der Welt einen Nutzen bringen, und damit auch dir.
Mache dir dein Plus-Wesen Tag und Nacht zum Gefährten. Wenn du seine
Ratschläge befolgst, kannst du nicht fehlgehen.
Bedenke, dass sich über Philosophie trefflich streiten lässt, doch die Welt, die dir gehört, ist eine Ansammlung von Tatsachen.
Mache dich daher ans Werk und tue das, was in dir angelegt ist. Schenke Ablenkungen keine Beachtung und erbitte keines Menschen Erlaubnis, um etwas zu erreichen.
Das Minus-Wesen erbittet Gefallen, das Plus-Wesen erweist diese. Bei jedem deiner Schritte wartet das Glück auf dich; ergreife es, halte es fest und binde es an dich, denn es ist dein, es gehört dir.
Mache dich nun ans Werk und bleibe dir stets dieser Ermahnungen bewusst.
Strecke deine Hand aus und ergreife das Plus-Wesen, das du dir vielleicht noch nie zu Diensten gemacht hast, außer bei wirklichen Notfällen. Das Leben ist einer der schwersten Notfälle. Dein Plus-Wesen steht in diesem Moment an deiner Seite. Reinige deinen Verstand und stärke deinen Willen, und es wird Besitz von dir ergreifen. Es wartet auf dich.
Beginne noch heute, beginne jetzt mit dieser neuen Reise.
Sei stets auf der Hut. Welches Wesen dich auch im Besitz hat, das andere wartet an deiner Seite. Lass das Böse nicht eintreten, und sei es nur für einen kurzen Moment.
Meine Aufgabe ist erledigt. Ich habe das Rezept für den „Erfolg“ niedergeschrieben. Wenn es befolgt wird, kann es nicht versagen.
Wenn meine Worte nicht völlig verstanden werden, so wird das Plus-Wesen des Lesers diesen Mangel ausgleichen. Ich übergebe die Last, das Geheimnis dieses alles durchdringenden Guten an zukünftige Generationen weiterzugeben, an dieses meine Bessere Selbst. Es ist das Geheimnis, um alles sein zu können, was du in dir selbst trägst.
(Autor Unbekannt)
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